Ruhezeiten sind wichtig

Ausserhalb der Arbeitszeit nicht erreichbar zu sein, wird häufig als fehlendes Engagement
interpretiert und schmälert die Aufstiegschancen im Unternehmen.

Tobias Soraperra

Wer seine Freizeit schätzt, gilt bei Vorgesetzten oft als wenig engagiert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie zweier Forscherinnen der Universität Hongkong und der spanischen Wirtschaftsschule IE. Sie untersuchten, wie Führungskräfte Mitarbeitende mit ähnlichen Leistungen, aber unterschiedlichem Freizeitverhalten bewerten. Das Ergebnis: Wer am Wochenende komplett abschaltet, wirkt erholter und produktiver, wird jedoch als weniger engagiert wahrgenommen als jene, die auch nach Feierabend E-Mails beantworten. Diese Wahrnehmung, so die Forscherinnen, fördert eine Burn-out-Kultur.

Präsenzlogik ist immer noch stark verankert

Benita C. Zimmer, Wirtschaftspsychologin aus Vaduz, kann die Kernaussage der Studie aus ihrer eigenen Erfahrung durch die Arbeit mit Führungskräften und Mitarbeitenden bestätigen:
«Wer sich bewusst für Erholung und digitale Abgrenzung entscheidet, wird häufig bewusst oder unbewusst als weniger leistungsbereit wahrgenommen. » Dies trifft laut Zimmer vor allem auf Unternehmen mit klassischen Hierarchien oder unklarer Unternehmenskultur zu.

Neu sei die Erkenntnis nicht, dass die propagierte Work-Life-Balance oft nicht zur gelebten Praxis passt, betont Zimmer. Die Studie macht diese Diskrepanz jedoch deutlich. Die Ursache sieht sie in einer Arbeitskultur, die an traditionellen Vorstellungen festhält. «In vielen. Organisationen herrscht nach wie vor eine Präsenzlogik, die den Einsatz mit ständiger Verfügbarkeit gleichsetzt.» Führungskräfte, die ihre eigenen Grenzen nicht wahren, übertragen diese Haltung auf ihre Mit-arbeitenden und deuten Ab-schalten als Desinteresse oder fehlendes Engagement. «Zudem fehlt es häufig an Bewusstsein für die zentrale Bedeutung von Erholung», bedauert Zimmer. Wissenschaftlich ist längst belegt, dass Pausen Konzen-

Wer auf geschäftliche E-Mails auch in seiner Freizeit antwortet, gilt oft als sehr fleissig.

tration, Leistungsfähigkeit und emotionale Stabilität fördern. «Wer sich erholt, arbeitet nicht weniger, sondern nachhaltiger», betont sie. Doch in der Führungspraxis sind diese Erkenntnisse noch zu wenig verankert. Ständige Erreichbarkeit gilt nicht nur als Zeichen von Einsatz, sondern erfüllt auch das

"Coaching, Supervision und gezielte Weiterbildung können helfen, unbewusste Bewertungsmuster zu erkennen."

Benita C. Zimmer
Wirtschafts- und Gesundheits-psychologin aus Vaduz

unbewusste Bedürfnis nach Kontrolle. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich dieser Kontrolle entziehen, stellen in diesem Falle für ihre Vorgesetzten eine grosse Herausforderung dar, wie Zimmer weiss. «Fällt diese Erreichbarkeit weg, etwa durch klare Feierabend grenzen oder bewusste Auszeiten, erleben gewisse Führungskräfte das als Kontrollverlust.» In hierarchischen Strukturen, wo Vertrauen nicht aktiv gefördert wird, löst dies Unsicherheit aus. Gesunde Selbstführung und klare Abgrenzung gelten dort nicht als Stärke, sondern als potenzielle Unzuverlässigkeit.

Führungskräfte müssen sensibilisiert werden

Um diese Wahrnehmung zu ändern, braucht es laut Zimmer gezielte Schulungen von Führungskräften. «Coaching, Supervision oder gezielte Weiterbildungen können dabei helfen, unbewusste Bewertungsmuster zu erkennen.» Dazu gehört auch, Erreichbarkeit nicht mit Loyalität gleichzusetzen. Unternehmen sollten Werte wie Selbstführung und Eigenverantwortung nicht nur formulieren, sondern leben. Gemeinsa-

me Regeln für Erreichbarkeit und festgelegte Pausen können helfen. «Wenn Mitarbeitende spüren, dass sie für gesunde Grenzen nicht sanktioniert, sondern gestärkt werden, verändert sich auch die Wahrnehmung von Leistung», so Zimmer. Dies führe langfristig zu einer nachhaltig gesunden Arbeits- und Unternehmenskultur. Rico Grünenfelder, Leiter Corporate Business Development & Communication bei Hilcona in Schaan, betont ebenfalls die Bedeutung klarer Kommunikationsregeln und der Vorbildfunktion von Führungskräften in einer hybriden Arbeitswelt. Hilcona sei hier gut aufgestellt: «Unsere Führungskräfte sind darauf sensibilisiert, Potenziale unabhängig von Lautstärke oder Präsenz zuerkennen und zu entwickeln.» So fallen auch vermeintlich stille, aber engagierte Mitarbeitende nicht durchs Raster. Sichtbarkeit spiele zwar eine Rolle, entscheidend seien jedoch die Ergebnisse, nicht die Präsenzzeit. «Nachhaltiges Engagement gelingt nur, wenn Menschen Zeit für sich, ihre Familien und ihre Erholung haben», sagt Grünenfelder.

Ruhezeiten sind wichtig

Ausserhalb der Arbeitszeit nicht erreichbar zu sein, wird häufig als fehlendes Engagement
interpretiert und schmälert die Aufstiegschancen im Unternehmen.

Tobias Soraperra

Wer seine Freizeit schätzt, gilt bei Vorgesetzten oft als wenig engagiert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie zweier Forscherinnen der Universität Hongkong und der spanischen Wirtschaftsschule IE. Sie untersuchten, wie Führungskräfte Mitarbeitende mit ähnlichen Leistungen, aber unterschiedlichem Freizeitverhalten bewerten. Das Ergebnis: Wer am Wochenende komplett abschaltet, wirkt erholter und produktiver, wird jedoch als weniger engagiert wahrgenommen als jene, die auch nach Feierabend E-Mails beantworten. Diese Wahrnehmung, so die Forscherinnen, fördert eine Burn-out-Kultur.

Präsenzlogik ist immer noch stark verankert

Benita C. Zimmer, Wirtschaftspsychologin aus Vaduz, kann die Kernaussage der Studie aus ihrer eigenen Erfahrung durch die Arbeit mit Führungskräften und Mitarbeitenden bestätigen:
«Wer sich bewusst für Erholung und digitale Abgrenzung entscheidet, wird häufig – bewusst oder unbewusst – als weniger leistungsbereit wahrgenommen. » Dies trifft laut Zimmer vor allem auf Unternehmen mit klassischen Hierarchien oder unklarer Unternehmenskultur zu.

Neu sei die Erkenntnis nicht, dass die propagierte Work-Life-Balance oft nicht zur gelebten Praxis passt, betont Zimmer. Die Studie macht diese Diskrepanz jedoch deutlich. Die Ursache sieht sie in einer Arbeitskultur, die an traditionellen Vorstellungen festhält. «In vielen. Organisationen herrscht nach wie vor eine Präsenzlogik, die den Einsatz mit ständiger Verfügbarkeit gleichsetzt.» Führungskräfte, die ihre eigenen Grenzen nicht wahren, übertragen diese Haltung auf ihre Mit-arbeitenden und deuten Abschalten als Desinteresse oder fehlendes Engagement. «Zudem fehlt es häufig an Bewusstsein für die zentrale Bedeutung von Erholung», bedauert Zimmer. Wissenschaftlich ist längst belegt, dass Pausen Konzen-

Wer auf geschäftliche E-Mails auch in seiner Freizeit antwortet, gilt oft als sehr fleissig.

tration, Leistungsfähigkeit und emotionale Stabilität fördern. «Wer sich erholt, arbeitet nicht weniger, sondern nachhaltiger», betont sie. Doch in der Führungspraxis sind diese Erkenntnisse noch zu wenig verankert. Ständige Erreichbarkeit gilt nicht nur als Zeichen von Einsatz, sondern erfüllt auch das

"Coaching, Supervision und gezielte Weiterbildung können helfen, unbewusste Bewertungsmuster zu erkennen."

Benita C. Zimmer
Wirtschafts- und Gesundheitspsychologin aus Vaduz

unbewusste Bedürfnis nach Kontrolle. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich dieser Kontrolle entziehen, stellen in diesem Falle für ihre Vorgesetzten eine grosse Herausforderung dar, wie Zimmer weiss. «Fällt diese Erreichbarkeit weg, etwa durch klare Feierabend grenzen oder bewusste Auszeiten, erleben gewisse Führungskräfte das als Kontrollverlust.» In hierarchischen Strukturen, wo Vertrauen nicht aktiv gefördert wird, löst dies Unsicherheit aus. Gesunde Selbstführung und klare Abgrenzung gelten dort nicht als Stärke, sondern als potenzielle Unzuverlässigkeit.

Führungskräfte müssen sensibilisiert werden

Um diese Wahrnehmung zu ändern, braucht es laut Zimmer gezielte Schulungen von Führungskräften. «Coaching, Supervision oder gezielte Weiterbildungen können dabei helfen, unbewusste Bewertungsmuster zu erkennen.» Dazu gehört auch, Erreichbarkeit nicht mit Loyalität gleichzusetzen. Unternehmen sollten Werte wie Selbstführung und Eigenverantwortung nicht nur formulieren, sondern leben. Gemeinsame Regeln für Erreichbarkeit und festgelegte Pausen können helfen. «Wenn Mitarbeitende spüren, dass sie für gesunde Grenzen nicht sanktioniert, sondern gestärkt werden, verändert sich auch die Wahrnehmung von Leistung», so Zimmer. Dies führe langfristig zu einer nachhaltig gesunden Arbeits- und Unternehmenskultur. Rico Grünenfelder, Leiter Corporate Business Development & Communication bei Hilcona in Schaan, betont ebenfalls die Bedeutung klarer Kommunikationsregeln und der Vorbildfunktion von Führungskräften in einer hybriden Arbeitswelt. Hilcona sei hier gut aufgestellt: «Unsere Führungskräfte sind darauf sensibilisiert, Potenziale unabhängig von Lautstärke oder Präsenz zuerkennen und zu entwickeln.» So fallen auch vermeintlich stille, aber engagierte Mitarbeitende nicht durchs Raster. Sichtbarkeit spiele zwar eine Rolle, entscheidend seien jedoch die Ergebnisse, nicht die Präsenzzeit. «Nachhaltiges Engagement gelingt nur, wenn Menschen Zeit für sich, ihre Familien und ihre Erholung haben», sagt Grünenfelder.

Ruhezeiten sind wichtig

Ausserhalb der Arbeitszeit nicht erreichbar zu sein, wird häufig als fehlendes Engagement
interpretiert und schmälert die Aufstiegschancen im Unternehmen.

Tobias Soraperra

Wer seine Freizeit schätzt, gilt bei Vorgesetzten oft als wenig engagiert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie zweier Forscherinnen der Universität Hongkong und der spanischen Wirtschaftsschule IE. Sie untersuchten, wie Führungskräfte Mitarbeitende mit ähnlichen Leistungen, aber unterschiedlichem Freizeitverhalten bewerten. Das Ergebnis: Wer am Wochenende komplett abschaltet, wirkt erholter und produktiver, wird jedoch als weniger engagiert wahrgenommen als jene, die auch nach Feierabend E-Mails beantworten. Diese Wahrnehmung, so die Forscherinnen, fördert eine Burn-out-Kultur.

Präsenzlogik ist immer noch stark verankert

Benita C. Zimmer, Wirtschaftspsychologin aus Vaduz, kann die Kernaussage der Studie aus ihrer eigenen Erfahrung durch die Arbeit mit Führungskräften und Mitarbeitenden bestätigen:
«Wer sich bewusst für Erholung und digitale Abgrenzung entscheidet, wird häufig  bewusst oder unbewusst als weniger leistungsbereit wahrgenommen. » Dies trifft laut Zimmer vor allem auf Unternehmen mit klassischen Hierarchien oder unklarer Unternehmenskultur zu.

Neu sei die Erkenntnis nicht, dass die propagierte Work-Life-Balance oft nicht zur gelebten Praxis passt, betont Zimmer. Die Studie macht diese Diskrepanz jedoch deutlich. Die Ursache sieht sie in einer Arbeitskultur, die an traditionellen Vorstellungen festhält. «In vielen. Organisationen herrscht nach wie vor eine Präsenzlogik, die den Einsatz mit ständiger Verfügbarkeit gleichsetzt.» Führungskräfte, die ihre eigenen Grenzen nicht wahren, übertragen diese Haltung auf ihre Mit-arbeitenden und deuten Ab-schalten als Desinteresse oder fehlendes Engagement. «Zudem fehlt es häufig an Bewusstsein für die zentrale Bedeutung von Erholung», bedauert Zimmer. Wissenschaftlich ist längst belegt, dass Pausen Konzen-

Wer auf geschäftliche E-Mails auch in seiner Freizeit antwortet, gilt oft als sehr fleissig.

tration, Leistungsfähigkeit und emotionale Stabilität fördern. «Wer sich erholt, arbeitet nicht weniger, sondern nachhaltiger», betont sie. Doch in der Führungspraxis sind diese Erkenntnisse noch zu wenig verankert. Ständige Erreichbarkeit gilt nicht nur als Zeichen von Einsatz, sondern erfüllt auch das

"Coaching, Supervision und gezielte Weiterbildung können helfen, unbewusste Bewertungsmuster zu erkennen."

Benita C. Zimmer
Wirtschafts- und Gesundheitspsychologin aus Vaduz

unbewusste Bedürfnis nach Kontrolle. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich dieser Kontrolle entziehen, stellen in diesem Falle für ihre Vorgesetzten eine grosse Herausforderung dar, wie Zimmer weiss. «Fällt diese Erreichbarkeit weg, etwa durch klare Feierabend grenzen oder bewusste Auszeiten, erleben gewisse Führungskräfte das als Kontrollverlust.» In hierarchischen Strukturen, wo Vertrauen nicht aktiv gefördert wird, löst dies Unsicherheit aus. Gesunde Selbstführung und klare Abgrenzung gelten dort nicht als Stärke, sondern als potenzielle Unzuverlässigkeit.

Führungskräfte müssen sensibilisiert werden

Um diese Wahrnehmung zu ändern, braucht es laut Zimmer gezielte Schulungen von Führungskräften. «Coaching, Supervision oder gezielte Weiterbildungen können dabei helfen, unbewusste Bewertungsmuster zu erkennen.» Dazu gehört auch, Erreichbarkeit nicht mit Loyalität gleichzusetzen. Unternehmen sollten Werte wie Selbstführung und Eigenverantwortung nicht nur formulieren, sondern leben. Gemeinsa-

me Regeln für Erreichbarkeit und festgelegte Pausen können helfen. «Wenn Mitarbeitende spüren, dass sie für gesunde Grenzen nicht sanktioniert, sondern gestärkt werden, verändert sich auch die Wahrnehmung von Leistung», so Zimmer. Dies führe langfristig zu einer nachhaltig gesunden Arbeits- und Unternehmenskultur. Rico Grünenfelder, Leiter Corporate Business Development & Communication bei Hilcona in Schaan, betont ebenfalls die Bedeutung klarer Kommunikationsregeln und der Vorbildfunktion von Führungskräften in einer hybriden Arbeitswelt. Hilcona sei hier gut aufgestellt: «Unsere Führungskräfte sind darauf sensibilisiert, Potenziale unabhängig von Lautstärke oder Präsenz zuerkennen und zu entwickeln.» So fallen auch vermeintlich stille, aber engagierte Mitarbeitende nicht durchs Raster. Sichtbarkeit spiele zwar eine Rolle, entscheidend seien je-doch die Ergebnisse, nicht die Präsenzzeit. «Nachhaltiges Engagement gelingt nur, wenn Menschen Zeit für sich, ihre Familien und ihre Erholung haben», sagt Grünenfelder.

Benita Zimmer Beratung & Coaching Liechtenstein.
Benita Zimmer Beratung & Coaching Liechtenstein.